Pfälzer vom Klassiker begeistert

Die Erzgebirgsrundfahrt bot gestern bei hochsommerlichen Temperaturen großen Sport. Ein Renner war dabei ganz nah an einem historischen Erfolg.

Von Knut Berger
erschienen am 23.05.2016/Freie Presse

Einsiedel. Als nach etwas mehr als 160 Kilometern und reichlich vier Stunden Raphael Freienstein vom Team Kuota-Lotto gestern das Ziel vor dem Brauhaus in Chemnitz-Einsiedel erreichte, konnte er sich in Ruhe sein Trikot richten, die Reißverschlüsse zuziehen und so im vorbildlichen Radsport-Dress-Code über die Linie fahren. Am letzten Anstieg in Burkhardtsdorf hatte sich der 25-Jährige von seinem Begleiter Jan Tschernoster (Team Rad-net Rose) abgesetzt und so die 37. Auflage der Erzgebirgsrundfahrt im Alleingang für sich entscheiden. Der Sieger der beiden letzten Jahre, Marcel Fischer, wurde Dritter. Bester Sachse war der 21-jährige Immanuel Stark aus Annaberg-Buchholz (Cycling-Team Sachsen), der frühere Mountainbike-Spezialist belegte einen beachtlichen fünften Rang.

 

Bei schweißtreibenden Temperaturen brauchte der Rundfahrtsieger nur wenige Minuten, um seinen Puls wieder in ruhige Taktzahl zu bringen. "Die Strecke mit den vielen Bergen liegt mir. Ich habe eine gute Form und zudem ein starkes Team dabei", nannte der Kaiserslauterer Gründe, warum es für ihn im Erzgebirge mit dem großen Wurf klappte. Immerhin konnte der Student für Internationales Sportmanagement bei der "Fleche du Sud", einer internationalen Etappenfahrt in Luxemburg, zuletzt eine Etappe gewinnen und in der Gesamtwertung den zweiten Platz belegen. Er hatte sich nach dem Start schon nach rund 25 Kilometern mit sieben weiteren Fahrern aus dem Staub gemacht. Eine erste Vorentscheidung fiel dann beim steilen Anstieg in Bernsbach, wo die Spitzengruppe endgültig zerfiel und Freienstein und Tschernoster als Duo vornweg strampelten.

Mit einem lachenden und einem weinende Auge sah Marcel Fischer das Endergebnis. Nach zwei Siegen in Folge verpasste er die Chance, als erster Pedaleur in der Geschichte des Radklassikers dreimal hintereinander zu gewinnen. "Es hat leider nicht gereicht, dennoch bleibt die Erzgebirgsrundfahrt mein Lieblingsrennen", sagte der gebürtige Bad Freienwalder, der jetzt in Stuttgart lebt und studiert. "In Bernsbach waren wir mal nahe an der Spitze dran, doch dann hat von den anderen Mannschaften leider niemand mehr mitgezogen", berichtete der Fahrer vom Team "Racing Students". Dafür konnte er die Führung in der Rad-Bundesliga - die Erzgebirgsrundfahrt war das zweite von neun Rennen der Saison - ausbauen. Denn Fischer hatte das Auftaktrennen in Cadolzburg für sich entschieden.

Zu den Pechvögeln des härtesten Eintagesrennens in Deutschland zählte dieses Mal sein Teamgefährte Jonas Tenbruck, der lange zu den aktivsten Fahrern der Spitzengruppe gehörte, die Sprintwertung gewann und und als aktivster Fahrer ausgezeichnet wurde. Drei Kilometer vor dem Ziel war er einmal nicht aufmerksam und stürzte. "Schade, eine Top-Ten-Platzierung wäre sicherlich drin gewesen", meinte der Student für Bauingenieurwesen. An seinem linken Bein waren die Spuren des Sturzes unübersehbar, doch bei der Ehrung war der Zwischenfall fast schon wieder vergessen.

Insgesamt hatten 119 Fahrer das Rennen begonnen, 72 davon erreichten das Ziel. Von Günter Schabel, Vizepräsident Leistungssport des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), erhielt die Organisationscrew um Roland Kaiser ein großes Lob: "Es wurde guter Sport geboten, das Niveau der Rundfahrt ist seit Jahren sehr hoch. Organisatoren, Polizei und die Teams haben dafür ganze Arbeit geleistet." Cheforganisator Roland Kaiser atmete nach der Siegerehrung erst einmal tief durch. "Es lief alles harmonisch ab. Rennfahrer, Polizei und alle Mitwirkenden der Organisation wurden mit dem sehr guten Wetter für ihre Anstrengungen im Vorfeld der Rundfahrt belohnt", sagte Kaiser und fügte hinzu: "Wir können die Rundfahrt aber auch nur in dieser Qualität durchführen, weil wir im Einsiedler Brauhaus seit Jahren einen so starken Partner im Boot haben."

In den Fahrzeugen des Begleit- konvois befanden sich wie immer auch viele Haudegen von einst. So steuerten die ehemaligen Friedensfahrtteilnehmer Joachim Vogel und Lutz Lötzsch ebenso einen Pkw, wie die einstigen Bahnradasse Matthias Wiegand und Harald Wolf. Auch Uwe Schlösser, Peter Scheibner und Holger Müller, die ebenfalls früher für den SC Karl-Marx-Stadt fuhren, waren dabei.

"Rundfahrt ist einzigartig"

Der ehemalige Radprofi Ralf Grabsch, der nicht nur als Bundestrainer der U 23, sondern auch als sportlicher Leiter des Teams Rad-net Rose bei der Erzgebirgsrundfahrt dabei war, bescheinigte dem Rennen ein unverändert hohes Niveau. "Die Rundfahrt ist anspruchsvoll und wird professionell organisiert. Für mich ist sie einzigartig in Deutschland", sagte der 43-jährige ehemalige Radprofi, der unter anderem 1996 die Hessen-Rundfahrt gewann.

Zur Siegerehrung in Einsiedel wurde Dr. Heinz Löbl mit der silbernen Ehrennadel des Landessportbundes Sachsen geehrt. Der 72-Jährige fungiert seit Jahren als Rennarzt der Erzgebirgsrundfahrt. "Ich kann mich nicht erinnern, wann ich in den vergangenen Jahren einmal bei der Rundfahrt gefehlt hätte. Ich hoffe zudem, dass es in Sachen Straßenradsport in Chemnitz wieder etwas mehr vorwärts geht", sagte der Mediziner.

Der Chemnitzer Bahnrad-Weltmeister Stefan Bötticher feuerte die 119 Teilnehmer der 37. Erzgebirgsrundfahrt gleich an mehreren Stellen an. "Ich fuhr nach Dittersdorf, zur Bergwertung am Kalkwerk Pockau und war auch am Anstieg an der Gaststätte "Am Kalten Muff". Dass so viele Zuschauer bei bestem Wette an den Straßen waren, zeigt, dass der Radsport in unsere Region große Akzeptanz besitzt", sagte Bötticher.

Rund 300 Polizisten waren im Einsatz, um die Strecke zu sichern. Die Beamten fuhren nicht nur mit den Krädern mit, sondern sperrten per PKW zahlreiche Kreuzungen. (kbe)

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